Tobias Skuban (geb. 1978) ist vielfältig tätig. Zum einen studierte er nach Abitur und Zivildienst als Stipendiat der Hochbegabtenförderung des Freistaats Bayern das Konzertfach Orgel an der Münchner Hochschule für Musik und Theater in der Soloklasse von Prof. Edgar Krapp. Zusätzlich erhielt Tobias Skuban Unterricht bei Vincent Warnier in Paris und in der Orgelklasse von Prof. Martin Lücker in Frankfurt am Main.
Als Konzertorganist ist er sowohl in Deutschland, als auch international tätig und gab u. a. bereits Konzerte in Frankreich, den USA, sowie an der größten Orgel der Schweiz in der Benediktinerkirche Engelberg. Außerdem hat Tobias Skuban u. a. im Dom zu Bamberg, im Dom zu München, im Dom zu Magdeburg, in der Basilika der Benediktiner St. Bonifaz zu München, der Basilika St. Gereon in Köln und der Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg konzertiert.
Zum anderen nahm er neben zu seiner musikalischen Tätigkeit das Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München auf und absolvierte in diesem Zusammenhang als Stipendiat von Harvard Medical International im Jahre 2008 einen Studienaufenthalt in Boston. Nach erfolgter Promotion zum Dr. med. war er als Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München tätig. Seit der Anerkennung als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Jahr 2014 praktiziert Tobias Skuban in München.
ROMANTISCHE ORGELSONATEN
Josef Labor (1842 – 1924)
Sonate h-Moll op. 15
• Allegro
• Andante
• Ciacona
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
Sonate d-Moll op. 65 Nr. 6
„Vater unser im Himmelreich”
• Choral mit Variationen
• Fuga
• Finale. Andante
Max Reger (1873 – 1916)
2. Sonate d-Moll für Orgel op. 60
• Improvisation
• Invocation
• Introduktion und Fuge
Der blinde Josef Labor gehörte wie Anton Bruckner zu den Theorieschülern Simon Sechters. Er wurde selbst ein gefragter Klavier- und Theorielehrer, kein Geringerer als Arnold Schönberg gehörte zu seinen Schülern. Als Organist war Labor ein Pionier für die Werke der vorbach‘schen Meister; ihr sowie Sechters Einfluss auf die Konzeption der eigenen Werke Labors wird oftmals sichtbar.
So ist der erste Satz seiner „Sonate h-moll op. 15” eigentlich eine große Choralbearbeitung über den Choral „Nun sich der Tag geendet hat”.
1) Nun sich der Tag geendet hat
und keine Sonn’ mehr scheint,
schläft alles, was sich müd’ gemacht
und was zuvor geweint.
2) Gedenke, Herr, doch auch an mich
in dieser schwarzen Nacht,
und schenke du mir gnädiglich
den Schutz von deiner Wacht.
3) Soll diese Nacht die letzte sein
in diesem Jammertal,
so führ mich, Herr, in’ Himmel ein
zur Auserwählten Zahl.
4) Und also leb und sterb ich dir,
du Herre Zebaoth;
im Tod und Leben hilfst du mir
aus aller Angst und Not.
(Adam Krieger, 1665;
Johann Friedrich Herzog, 1670)
Dem zweiten Satz, einem wunderbar gesanglichen Notturno, stellt Labor ein Zitat aus Shakespeares „Kaufmann von Venedig” voran:
Da ist nicht der kleinste Himmelskörper, den du siehst,
der nicht in seiner Bewegung wie ein Engel singt
und stets im Chor den jungäugigen Cherubinen zutönt;
solche Harmonie ist in unsterblichen Seelen.
Der letzte Satz ist, wie schon die Überschrift sagt, eine Ciacona, deren Vorbild durchaus in Buxtehudes Ciacona e-moll zu sehen wäre.
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Mendelssohns „Sechs Sonaten für Orgel op. 65” sind dem Frankfurter Konsistorialrat Dr. Schlemmer gewidmet und wurden im März 1845 in der dortigen St. Katharinenkirche durch den Komponisten selbst uraufgeführt.
In der letzten dieser sechs Sonaten, der Sonate d-moll „Vater unser im Himmelreich”, zeigt sich besonders deutlich, wie am Bach‘schen Vorbild geschultes Formverständnis und romantisches Empfinden sich in Mendelssohns Orgelkunst gegenseitig durchdringen.
Der erste Satz – Choral mit Variationen – folgt zwar zunächst dem Vorbild der barocken „Choralpartita”, also einer Variationsreihe über einen Choral, doch lässt Mendelssohn, anders als zur Barockzeit üblich, die Variationen ohne Unterbrechung ineinander übergehen.
Das Thema der Fuge ist aus den ersten Tönen der Choralmelodie gebildet.
Das abschließende „Finale. Andante” steht – im Gegensatz zu den beiden vorausgehenden Sätzen – in D-Dur. Sein inniges Gepräge rückt es in die Nähe von Mendelssohns „Liedern ohne Worte” für Klavier. Der Anfang der Hauptmelodie dieses Satzes ist den Schlusstakten der Fuge entnommen.
Anders als in der klassischen Sonate, die für gewöhnlich zwei Höhepunkte – nämlich im ersten und letzten Satz – hat, spannt Mendelssohn in dieser Sonate vom leisen Beginn über die letzte der Choralvariationen hin bis zum zart verschwebenden Schlusssatz einen Bogen, dessen Höhepunkt in der Mitte liegt. So schuf er in dieser Sonate eine ”ächt neue Form”, wie sein Freund Robert Schumann in der ersten Rezension der Orgelsonaten bemerkte.
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Sonaten nehmen im Schaffen von Max Reger einen breiten Raum ein, doch meist orientiert sich Reger in der Kammermusik am klassisch-romantischen Vorbild. In seinen beiden Orgelsonaten allerdings beschreitet er andere Wege.
Die „2. Sonate d-Moll für Orgel op. 60” entstand 1901 in Weiden, am Ende zweier Jahre also, in denen Reger nahezu die Hälfte seiner Orgelwerke schrieb, darunter so Bedeutendes wie die „Phantasie und Fuge über den Namen B-A-C-H” oder die Choralphantasien op. 40 und op. 52.
„Improvisation” überschreibt er den ersten Satz dieser Sonate und weckt dabei eigentlich eine falsche Erwartung, denn dieser Musik eignet wenig Improvisatorisch-Phantasierendes, vielmehr arbeitet Reger mit drei deutlich umrissenen Themenblöcken, die er allerdings nicht in einer zentralen klassischen „Durchführung” verarbeitet, sondern eher in der Art des späten Brahms „entwickelnd variiert”. Dagegen steht im Zentrum des Satzes ein stiller, liedhafter Satz – eine melancholische Insel im Meer aufgewühlter musikalischer Dramatik.
Der zweite Satz ist „Invocation” (= Anrufung) genannt. Aus einem düsteren Beginn (nicht umsonst lautet die Tempobezeichnung „Grave con duolo” – „Schwer, voll Schmerz”) löst sich eine weit schwingende Kantilene; der Mittelteil mit seinen rezitativartigen Passagen erhebt sich zu deklamatorischer Wucht. Als persönliches Bekenntnis eher denn als Referenz an die Weihnachtszeit ist wohl der Schluss zu verstehen: Der Choral „Vom Himmel hoch, da komm ich her” erklingt als erlösende Musik „aus der Höhe”. Mit „Introduktion und Fuge” schreibt Reger nun einen durchaus orgeltypischen Finalsatz. Ein Kaleidoskop kontrastreicher, aber stets nur kurz angerissener musikalischer Gedanken bestimmt die Introduktion. Aus ihrem Höhepunkt löst sich in majestätischem Pathos die Fuge. Reger komponiert sie vergleichsweise dicht: Nur ein längeres Zwischenspiel – pianistisch in seinen Terzenketten und scherzoartig in seiner Triolenbewegung – unterbricht ihren unaufhaltsamen Strom, den Reger mit Engführungen des Themas in eine eindrucksvolle Schlusskulmination leitet.